Karl Gilis (Co-Founder von AGConsult) ist Nummer drei auf der Liste der einflussreichsten Konvertierungsexperten der Welt und bezeichnet sich selbst gerne als “Conversion Comedian”. Wir haben mit ihm auf der SMX München vor der Kamera über UX Design, CRO (Conversion Rate Optimierung) und wie ihr eure Online-Kunden mit eurer Website glücklich machen könnt gesprochen.
Hi Karl, ich bin froh, mal mit einem echten User Experience Experten zu sprechen. Die meisten Gespräche auf der SMX drehen sich um Traffic, ein Bisschen Social Media und ganz viel Google. Es fühlt sich so an, als wären User Experience oder Conversion Rate Optimierung ein wenig unterrepräsentiert.
Definitiv! Ich denke, das ist eins der größten Probleme – nicht nur im SEO oder SEA Business, sondern auch bei den Designern und Marketeers. Viele Unternehmen sagen zwar, dass sie kundenzentriert arbeiten, aber das tun sie nicht.
Sie versuchen viel, was darauf abzielt, aber die Wenigsten erforschen es wirklich. Es ist sehr verlockend, Tools und Technik zu verwenden, weil sie dir helfen und weil du hinter dem Bildschirm sicher bist, weil du nicht rausgehen musst.
Jeder kämpft darum, auf der ersten Seite bei Google zu landen. Den Unterschied, ob nun du oder ein andere angeklickt wird, macht erstmal nur der Text, also die Worte, die die Gedanken und Emotionen der User triggern. Das wird fast überall komplett vergessen.
Das denke ich auch. Du arbeitest nicht nur für AG Consult, du bist sogar das G in Ag Consult. Was genau tust du dort? Hast du vielleicht einige Case Studies von deutschen Kunden?
Wir arbeiten nicht für viele deutsche Kunden. Was wir im Kern tun, ist die Erforschung des Users. Wir wollen die Kunden wirklich verstehen. Okay, es sind die Kunden unseres Kunden – sie geben mir Geld dafür und das ist sehr gut – vielen Dank.
Aber jede Agentur sollte verstehen, für wen sie wirklich arbeitet. Du arbeitest für die Kunden deines Kunden. Das ist sehr wichtig für Agenturen.
Wir machen also User Research und dann geht es in viele verschiedene Aspekte, die wir abdecken. Wir machen Conversion Rate Optimierung, um eine Website besser zu machen.
Am Ende geht es aber immer darum, dass Business unserer Kunden über die Zufriedenheit ihrer Kunden wachsen zu lassen. Das ist sehr wichtig. Kundenservice, Kundenzufriedenheit – das sind essentielle Dinge.
Ich denke, sowohl in der SEO- als auch in der SEA Welt sehen wir oft Unternehmen, die nur darauf bedacht sind, User auf ihre Website zu schicken. Das ist aber nur ein Teil. Es sollte natürlich auch guter, also wertvoller Traffic sein.
Die User müssen vielleicht noch nicht komplett bereit sein, bei dir zu kaufen, aber sie sollten zumindest überzeugt sein, eine Kaufentscheidung zu treffen. Du musst also die richtigen User auf deine Website schicken.
Wenn sie dann dort sind, dann könnte ich dir einige “Dirty Psychologie-Tipps” geben, um einen Besucher in einen Kunden zu verwandeln. Aber dann bist du schnell der böse Tür-zu-Tür-Verkäufer, der dich austrickst, damit du etwas kaufst. Ich habe dann als Verkäufer zwar mein Geld, aber dieser Kunde wird nie wieder zu mir kommen.
Ich denke, heutzutage ist es sehr sehr wichtig, loyale Kunden zu bekommen. Das ist vielleicht schwer, weil das Internet so viele Quellen neben dir liefert, aber loyale Kunden gewinnen: das ist mein Geschäft.
Okay, und hast du hier vielleicht ein paar best practices von deutschen Websites? Wer macht das richtig gut?
Wie gesagt, wir arbeiten nicht sehr viel für deutsche Websites, aber im Grunde ist es immer dasselbe, denn du musst deinen Kunden verstehen.
Du hast zum Beispiel TUI. Das war lustig. Viele Reiseanbieter haben auf ihrer Homepage riesige Suchfelder: “Wo willst du hin?” und “Wann willst du irgendwo hin?” Das klingt erstmal ziemlich logisch, denn darum geht es in diesem Business.
Wir haben für TUI jedoch etwas anderes gemacht. Wir haben bei den Websitebesuchern nachgeforscht und eine Umfrage bei denen gemacht, die von der Startseite bis zu den Hotel-Detailseiten gekommen sind. Wir haben sie anschließend gefragt: “Was weißt du nun über den Urlaub, den du buchen wolltest?”
43% hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal ein konkretes Ziel im Kopf. 51% hatten noch kein Datum festgelegt. Wir haben die Umfrage im Oktober gemacht. In dieser Zeit gibt es zwei Hauptaufgaben für Reiseanbieter: “Ich möchte über Weihnachten Skifahren gehen” und “Ich möchte über Weihnachten irgendwo hin, wo es warm ist.”
Die Fragen: “Wohin?” und “Wann?” geben darauf keine Antwort. Und das sehen wir häufig. Unternehmen nehmen alles für selbstverständlich. Sie machen Business, aber sie müssen immer wieder schauen, wie der Kunde denkt und handeln.
Jedes Jahr gibt es irgendwelche design Trends. Aber welche von ihnen sind denn vielleicht wirklich sinnvoll?
Also die meisten Design Trends ergeben so gar keinen Sinn. Das ist das gleiche, wie wenn alle immer sagen: “Oh, da ist eine neue Technologie. Die müssen wir auch nutzen!”
Jedes Jahr gibt es neue Trends und die meisten sind nur an der Oberfläche von Design. Vor ein paar Jahren gab es zum Beispiel die Diskussion über runde oder eckige Ecken. Am Ende spielt das aber alles keine Rolle. Ich möchte damit nicht sagen, dass Design nicht wichtig ist. Design ist unglaublich wichtig.
Das Design ist der Baukasten der Website und das ist entscheidend. Manchmal gibt es eine neue Technologie, die es besser macht, aber vergiss nie, dass eine Website kein Kunstwerk ist. Eine Website ist nichts, das du minutenlang betrachtest. Eine Website wird von Menschen benutzt.
In erster Linie sollte sie also gut nutzbar und sogar nützlich sein. Das Ergebnis sollte immer ein zufriedener Kunde sein. Viele Designer und Marketeers scheinen jedoch nicht zu verstehen, dass Worte das Wichtigste sind, denn sie überzeugen den User letztlich, auch Kunde zu werden.
Wenn du ein Designer bist und dich nicht um Worte kümmerst, dann bist du nur ein Dekorateur.
Bei geplanten Redesigns empfehlen wir unseren Kunden immer, Stück für Stück Dinge zu verändern und nicht alles auf einmal, um die User nicht an Punkt starten zu lassen. Unternehmen, wie Amazon, Google etc. machen das schon seit Jahren so. Was denkst du darüber? Lieber step by step oder alles auf einmal?
Es kommt immer darauf an… Von Natur aus bin ich gegen den Redesign Kreislauf. Ich war letzte Woche auf einem Workshop und habe die Leute dort dasselbe gefragt und sie meinten: “Ja, wir haben alles verändert.”
Der klassische Redesign Kreislauf in einem Unternehmen ist, dass alle 3, 4 oder 5 Jahre ein komplett neues Design der Website umgesetzt wird.
Ganz ehrlich, das ist Bullshit. Die neuen Websites werden nicht besser, als die alten verkaufen, denn es geht hier nur um das reine Design, also die äußere Hülle der Website. Das größte Problem vieler Websites ist aber der Content und die Struktur. In diesen Fällen kannst du den Kreislauf des Redesign komplett vergessen. Macht das nicht!
In einer perfekten Welt musst du tun, was Amazon, Google, booking.com, AirBnB und all die anderen Großen tun. Sie machen ihre Websites konstant immer ein bisschen besser. Manchmal ist es vielleicht notwendig ein neues Backend zu kreieren, aber meistens ist es keine gute Idee, ein neues Backend zu installieren UND ein neues Design zur selben Zeit. Das ist dann ein riesiges Projekt. Also arbeite die ganze Zeit an deiner Website.
In einigen Fällen ist deine Website aber auch einfach sehr schlecht. Dann musst du vielleicht doch noch ein großes Redesign starten. Dann geht es aber nicht vorrangig um das Design, sondern um den Content. Was soll auf der Website bleiben und was sollte verschwinden?
Was brauchen und erwarten die Kunden? Das ist sehr wichtig. Das ist die Basis für moderne Wirtschaft. Du gibst den Kunden, was sie wollen und sie geben dir anschließend, was du willst.
Böse ausgedrückt, ist das Geld, aber es geht auch um die Loyalität der Kunden und die Beziehung zu ihm.
Du sagst also, das Design ist nicht der echte Gamechanger für die Kunden, richtig?
Zumindest die äußere Hülle der Website nicht, genau. Das ist immer schwer zu erklären, denn es gibt Design und Design.
Wie würde denn die perfekte Website für dich aussehen?
Oha, sehr gute Frage. Die Antwort ist: es gibt sie nicht. Wenn jemand schon die perfekte Website erschaffen hätte, könntest du sie schon lange in irgendeinem Store kaufen.
Die Schwierigkeit ist, dass die perfekte Website für jede Marke anders aussieht, weil das Publikum auch verschieden ist. Sowohl Suzuki als auch BMW gehören zu unseren Kunden, aber es sind völlig verschiedene Marken.
Es gibt ein perfektes Design für die BMW Website. Bei dieser Marke geht es ein wenig mehr um Träumen und das Image. Suzuki ist hingegen eine eher bodenständige Marke. Das heißt, diese Marke braucht auch ein anderes Design.
Ich habe ein paar gute Freunde bei booking.com. Das ist schon eine ziemlich gute Website, aber es ist nicht die schönste Website der Welt.
Der Head of CEO heißt Lucas und er erzählte mir, dass er manchmal sieht, wie die Designer prahlen und sagen: “Ich habe das Design von booking.com gemacht und jetzt ist es so viel besser”.
Das Lustige dabei ist, dass booking.com so viel Traffic hat, dass sie manchmal die Designs dieser Designer testen. Nie hat ein Design dabei gewonnen. Sie suchen zwar ständig und arbeiten daran, aber booking.com hat für den Moment das Design gefunden, das für die Marke das beste ist.
Wenn du jetzt eine andere Marke bist heißt das jedoch nicht, dass du nun das Design von booking.com kopieren sollst. Du bist eine andere Brand, hast ein anderes Produkt und auch ein anderes Publikum.
Wenn du Zalando heißt, bist du nicht Gucci. Gucci kann einfach nicht mit demselben Design, wie Zalando arbeiten, weil es bei Gucci mehr ums Träumen und das hochwertige Image geht. Das eine perfekte Design existiert also nicht.
Danke. Wir haben jetzt viel über Content gesprochen. Wie finde ich denn nun die richtigen Worte für meine Website?
Oh Mann, ich glaube, eines der größten Probleme dabei ist: Marketeers und Copywriters treffen sich in einem Konferenzraum, trinken Latte Macchiato oder was weiß ich und denken über den Kunden nach. Das ist Bullshit. Das funktioniert nicht.
Was wir oft tun, wir setzen beim Kundenservice an und stellen dabei manchmal nur eine Frage: Warum kaufst du dieses Produkt?, Warum suchst du bei uns nach einer Lösung? oder Warum kaufst du ausgerechnet diese Keksschachtel?
Das ist eine offene Frage und die Leute antworten in ihren eigenen Worten. Das ist perfekt, um das Vokabular und die Terminologie deiner Kunden zu verstehen. Du musst diesen Input nur dazu nutzen, den Content auf deiner Website anzupassen. Dann passt das perfekt zueinander.
Der Vorteil hierbei ist, wenn die Leute nach etwas suchen oder auf deiner Website ankommen, werden sie ihre eigenen Worte wiedererkennen und merken, dass ihr als Anbieter wie sie denkt.
Das ist wirklich eine gute Frage, denn wir sehen oft eine große Lücke zwischen dem Vokabular und der Terminologie eines Unternehmens – viele Unternehmen prahlen mit ihren Produkten, sie wollen zeigen, wie toll es ist und es ist meist sehr technisch – und dem Kunden, der ein ganz anderes Vokabular verwendet.
Ein anderes Beispiel, das wir auch oft sehen: Viele Unternehmen schreiben auf ihren Produktseiten immer wieder “WIR tun dies, WIR tun das”.
Wenn wir wieder zu booking.com rüberschauen – ich glaube es kommt im zweiten Step beim Checkout – da steht das Wort “DU” insgesamt 27mal auf einer Seite. Das steht: “Dein Zimmer”, “Deine Details”, “Deine Kreditkarte”… Du, Du, Du.
Das ist wichtig. Du solltest deinen Kunden zum Star deiner Website machen. Es geht um ihn oder sie und nicht um dich als Unternehmen.
Cool, das klingt ja eigentlich ziemlich leicht, aber es ist sehr schlau.
Ja, ich tue das nun seit über 20 Jahr und das ist eines dieser Dinge, die ich nie wirklich verstanden habe, es aber heute tue. Es klingt so logisch, es macht Sinn, aber die meisten Unternehmen tun es trotzdem nicht.
Sie bleiben in ihrer kleinen Marketing-Blase. Wenn du dir all die großen Unternehmen anschaust, dann haben sie alle etwas gemeinsam: sie arbeiten extrem kundenzentriert.
Sie nutzen die Worte der Kunden und nehmen ihm die Frustration, die sie vielleicht woanders erfahren haben.
Welche Tools kannst du für diese Aufgaben empfehlen und warum?
Ah, die Frage nach den Tools… Meine erste Antwort darauf ist immer: Ein Dummkopf mit einem Tool ist immer noch ein Dummkopf. Aber ja, Tools sind wichtig. Vor kurzem habe ich erst eine Studie gelesen, dass ein Marketeer in Belgien durchschnittlich 73 Tools nutzt.
Unglaublich. Sie kaufen es und wahrscheinlich nutzen sie es dann gar nicht. Die Leute denken, dass das Tool die Lösung für alles ist. Das stimmt nicht. Es mag eine blöde Antwort auf deine Frage sein, aber das wichtigste Tool ist immer noch dein Gehirn.
Du musst dein Gehirn mit den Tools verbinden. Wenn man über Tools sprichst, dann gehört Google Analytics natürlich dazu. Ich verwende ein paar Tools, die dir ein sehr visuelles Feedback über das geben, was die Leute auf der Website tun.
Die dritte Art von Tools, die ich nutze sind dazu da, Umfragen zu erstellen. Da gibt es aber für mich nicht das eine Tool. Wir machen halt auch sehr viel User Testing. Da haben wir quasi unser Basis-Arsenal von Tools.
Danke dir für den Einblick. Zum Schluss brauche noch 5 Conversion-Tipps von dir, die auf jeder Website funktionieren.
Auf jeder Website? Also: Hör auf deinen Kunden. Für die Homepage bedeutet das: Keine Slider, denn Slider sind doof, keinen Videohintergrund und kein Schrei um Aufmerksamkeit.
Zweiter Tipp: Hilf den Leuten auf deinen Kategorieseiten, sich zu entscheiden. Bei den meisten Websites läuft es nämlich so: “Hier sind unsere Produkte” und das war’s. Zeig den Leuten, was der Unterschied zwischen den einzelnen Produkte ist.
Und der dritte Tipp: Deine Website und dein Text sollten so nah, wie es nur geht an der realen Erfahrung mit dem Produkt dran sein.
Stell dir den besten Verkäufer auf der Welt vor – also nicht die hinterlistigen und schmutzigen Verkäufer, sondern ein Verkäufer, der dem Kunden wirklich hilft.
Das ist genau das, was du auch auf deiner Website tun musst. Du musst deinen Kunden helfen.
Viertens: Achte auf die Formulierung deiner Call to action. Auf e-Commerce Seiten ist die CTA immer sehr klar: “Kaufe jetzt!” Das klingt immer irgendwie böse. “Jetzt kaufen!” oder “Klicke jetzt!” Bam, bam, bam…
Bleib cool. Schau dir booking.com an. Da steht dann: “Schau dir alle verfügbaren Zimmer an” oder “Schließe deine Buchung ab”. Sie nehmen kleine Schritte und sind vorsichtig und entspannt.
Das ist mein vierter Tipp und mein fünfter Tipp… Höre immer auf deinen Kunden und verbessere damit immer wieder deine Website. Dein Job ist nie vorbei.